V. Mittelalter

1. Das oströmische Reich und der Halbmond

 

Zu Besuch beim Kaiser in Byzanz
Die Geschichte der kulturellen Teilung Europas


Zu Besuch beim Kaiser in Byzanz

Die römische Kaiserwürde bestand nach dem Ende Westroms im oströmischen/byzantinischen Reich weiter. Byzanz entwickelte eine eigene Kultur, die byzantinische Kirche ging ihren eigenen Weg. Der Einfluss des Papstes war zu gering, um daran etwas zu ändern. Die Kaiserkrönung Karls war eine politische Entscheidung: Der Papst nutzte die Herrschaft einer byzantinischen Kaiserin dazu, mit dem Frankenherrscher einen „Gegenkaiser“ aufzubauen. Dessen Heer vergrößerte die Macht des Papstes, gleichzeitig wurde Karl zum Herrscher aller Herrscher Europas. Die byzantinische Kaiserwürde war damit viel weniger „wert“.

Wochenlang war die Gesandtschaft aus dem fernen Frankenreich bereits unterwegs. Nun näherte sie sich endlich dem ersehnten Ziel – Konstantinopel. Und doch wurde ihr mulmiger. Grund dafür waren die vielen schaurigen Geschichten darüber, wie es fremden Botschaftern am byzantinischen Hof ergangen sei.
Als die Gesandtschaft aus der Ferne die mächtigen Stadtmauern Konstantinopels sah, verschlug es ihr erstmals die Sprache. Die mächtigen Mauern! Die vielen Wachtürme! Dieses Befestigungssystem konnte niemand überwinden. Mit jedem Schritt steigerte sich die Bewunderung: In der Hauptstraße der Metropole herrschte ein Gewirr von Menschen aller Sprachen und Nationalitäten. So hohe Häuser gab es in Italien nirgends! In den mehrstöckigen Arkaden wurden Güter aus aller Herren Länder gelagert und zum Verkauf angeboten. Besonders eindrucksvoll war das riesige Hippodrom. Es diente zugleich als Zirkus und Pferderennbahn und fasste nicht weniger als 150.000 Zuschauer.
Noch beeindruckender war der üppige Luxus des Palastes, der den Gesandten als Aufenthalt zugewiesen wurde. Zum Empfang wurde die Gesandtschaft in den Kaiserpalast geführt. Dieser bildete mit all den Empfangssälen, Kirchen, Thermen, Pavillons, Gärten und Säulengängen eine kleine Stadt für sich. Hier war das gesamte Leben einem genau festgelegten Plan unterworfen; Tausende von Hofbeamten und Dienern erfüllten ihre Aufgabe nach strengen Regeln und in einer exakt festgelegten Reihenfolge.
Auf dem Weg in den Empfangsraum passierte die Gesandtschaft drei Vorhänge: Hinter dem ersten hatten sich hohe Reichsbeamte aufgestellt, alle in schwarze Seidengewänder gekleidet. Hinter dem zweiten standen Würdenträger in weißer Seide, endlich wurde der dritte Vorhang gelüftet: Nun sah die Gesandtschaft den Kaiser. Dieser war ganz in Gold gekleidet, an seiner Seite befanden sich die höchsten Staatsdiener in roten Gewändern. Am Thron standen zwei künstliche Löwen von ungeheurer Größe, mit Gold überzogen. Sie schlugen mit den Schweif auf den Boden und brüllten mit offenem Rachen und beweglicher Zunge. Die – ebenfalls künstlichen – goldenen Vögel zwitscherten.
Auf dem Weg zum Thron hatten Besucher an einer am Marmorboden gekennzeichneten Stelle drei Mal mit der Stirn die Erde zu berühren. Denn der ausländische Vertreter musste immer zum Kaiser aufblicken.
Jetzt erst konnte der Austausch von Höflichkeitsfloskeln beginnen. Die Verhandlungen wurden dann später mit den Ministern des Kaisers geführt.
(vgl. internationaler Pressebericht, 1995)
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Die Geschichte der kulturellen Teilung Europas

Maßgeblichen Anteil daran hat das kyrillische Alphabet. Oder doch nicht? Rudolf Diesel hat den Dieselmotor erfunden, Robert Wilhelm Bunsen hat den Bunsenbrenner erfunden, Wilhelm Conrad Röntgen hat die Röntgenstrahlen entdeckt...zumeist kommen Erfinder zu Recht zu Ehren. Anders beim kyrillischen Alphabet: Das dieses auf einen Mann namens Kyrill zurückgeht, ist eine der Legenden der Geschichte. Was aber ist daran war?

Die beiden Brüder Kyrill und Method, Söhne eines hohen byzantinischen Militärs, wurden 826 beziehungsweise 820 in Saloniki geboren. Dort sprach man – wie überall im großslawischen Raum – einen mazedonischen Dialekt, den man auch in Bulgarien, am Dnjepr und an der Wolga verstand. Einzelne slawische Sprachen hatten sich nicht herausgebildet, und die lokalen Dialekte wichen nicht sonderlich voneinander ab.
Kyrill, er war der jüngere Bruder, lebte als Philosoph in Konstantinopel. In Wirklichkeit hieß er Konstantin, erst kurz vor seinem Tod 869 legte er sich in einem römischen Kloster den Namen Kyrill zu. Erfunden aber hat er das so genannte kyrillische Alphabet nicht. Vielmehr entwickelte er mit seinem Bruder Method das „glagolitische Alphabet“. Die Glagoliza bestand aus einigen Schriftzeichen aus älteren Alphabeten – zum Beispiel aus dem Hebräischen – und verwendete einige Buchstaben aus der griechischen Minuskelschrift in veränderter Form. Weiters lassen sich kaukasische und orientalische Einflüsse nachweisen. Einzelne Zeichen sind von christlichen Ursymbolen, zum Beispiel dem Kreuz, abgeleitet. Viele andere Buchstaben aber waren sozusagen Originale. Mit der Erfindung der Glagoliza, der ersten Schrift der Slawen, haben Kyrill und Method einen Geniestreich vollbracht. Bevor die beiden ein System erfanden, mit dem die slawische Sprache in eine ihren Lauten gemäße Schrift gefasst werden konnte, schrieb man entweder gar nicht oder aber in der Not mit griechischen und lateinischen Buchstaben, also ohne Anpassung an die slawische Phonetik.
Um 900 wurde am Hof des bulgarischen Zaren Simeon die Kyrilliza eine einfachere Schrift entwickelt – das spätere Normalalphabet der Russen, Bulgaren und Serben. Eine große Anzahl der Buchstaben stammte aus dem griechischen Alphabet und wurde den slawischen Lauten angepasst. Was in der griechischen Schrift nicht existierte, übernahm man zum Teil aus der Glagoliza.
Im 10. Jahrhundert breitete sich mit der wachsenden Macht des Oströmischen Reiches von Byzanz die griechisch-orthodoxe Kirche immer weiter aus. Zugleich drängte aus dem Westen die römisch-katholische Kirche über Mähren gegen Osten. Ungarn und Polen waren damals schon zum Teil zum Katholizismus bekehrt, in Kiew – dem Sitz des Fürsten Wladimir und der vor Nowgorod wichtigsten Stadt der „Rus“ – hingegen war die Verbindung zu Byzanz enger. Die Christianisierung war politisch unumgänglich – für den russischen Fürsten Wladimir blieb nur die Frage: griechisch-orthodox oder römisch-katholisch?
Für die Übernahme des griechisch-orthodoxen Glaubens gab es folgende Gründe: Die Kirchenväter in Byzanz versprachen den Russen eine größere Unabhängigkeit der slawischen Ostkirche als Rom es tat; außerdem bot der byzantinische Kaiser Basileios dem Fürsten Wladimir als Gegenleistung für Militärhilfe die Hand seiner Schwester Anna. Die „Kiewer Rus“ wurden christlich. Jetzt erst wirkte die Arbeit, die Kyrill und Method ein Jahrhundert früher geleistet hatten. Russland übernahm die in der Glagoliza aufgeschriebenen „kirchenslawischen“ Schriften.
(vgl. internationaler Pressebericht, 1992)
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2. Das Reich der Franken

 

Wie „groß“ war Karl der Große?
Über die Geschichte der Tiutischen Sprache
Das Lied der Heiligen Bernadette Soubirous
Aberglaube oder moderne Wunder?


Wie „groß“ war Karl der Große?

Im Jahr 2000 wurde vielerorts das Jubiläum 1200 Jahre Kaiserkrönung Karls gefeiert. Etliche Wissenschafter hinterfragten die tatsächliche Bedeutung Karls. War er wirklich so mächtig, wie in der Geschichtsschreibung dargestellt? Oder ist alles maßlos übertrieben?

Was bewiesen ist: 46 Regierungsjahre lang war der Frankenchef (geboren 747) erobernd durch weite Gebiete Europas gezogen. Friesen, Sachsen und Bayern erlagen seinem Sturmlauf. Karls Ritter verwüsteten das Land der Liutizen (zwischen Elbe und Oder) und schleiften die – damals maurische – Feste Barcelona. Mit der Kaiserkrönung löste Karl den Oströmischen Kaiser als mächtigsten europäischen Herrscher ab. Biografen beschreiben Karl als riesigen (ca. 1,90m) Naturburschen und guten Schwimmer. Sein Versuch, im Alter noch das Schreiben zu lernen, misslang. Der Herrscher trug am liebsten fränkische Tracht: Umhang, Unterhose, dazu mit Wickeln umbundene Beinlinge. Im Spätherbst 813 kehrte der betagte Imperator von der Jagd in seine Aachener Residenz zurück. Wochenlang hatte er in feuchten Zelten genächtigt, nun fühlte er sich krank. Vom Fieber geschüttelt, fastete der Herrscher und vergrub sich unter Bärenfellen. Diener brachten in Bronzekelchen glühende Holzkohlen ins Gemach. Nichts half. Die Ärzte stellten eine feuchte Lungenentzündung fest. Den Brustkorb voll Wasser, starb der „Leuchtturm Europas“ (ein Chronist) am 28. Januar 814.
Historiker nannten Karl den „Gründerhelden“, „Patriarch des Kontinents“; bereits Friedrich Barbarossa sprach den Ahnherrn heilig. 1215 wurden Karls Gebeine in einen Goldschrein in Aachen umgebettet. Napoleon ließ das sechs Zentner schwere Relikt nach Paris bringen. Er kniete vor dem Heiligtum ebenso wie der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl.
Ende des 20. Jhs. wurde die Bedeutung Karls massiv in Frage gestellt. Die dadurch angeregte Diskussion war heftig und teilte die Historiker in Befürworter und Gegner der neuen Überlegungen. Folgende Gedanken führten die Zweifler der Bedeutung Karls ins Treffen:

  • Über 200 Kaiserdomizile („Pfalzen“) werden in Aufzeichnungen erwähnt. Warum ist nur von kaum einem Dutzend die genaue Lage bekannt?
  • Eisen gepanzerte Ritter sollen den karolingischen Militärstaat geeint haben. Warum überdauerte nicht ein Kettenhemd die Zeiten?
  • In alten Schriften wird die Pfalz von Ingelheim als „prunkvoller Palast“ bezeichnet, der zweitgrößte, den Karl je baute. In Wahrheit war der Komplex – ein Halbkreis von 145 Meter Länge – nach Karls Tod noch immer eine Baustelle. Die Räume ließen sich nicht beheizen. Schlaf- und Wohnräume ließen sich bislang nicht auffinden.

Welche Ergebnisse wird die Diskussion bringen?
(vgl. internationaler Pressebericht, 1999)
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Über die Geschichte der Tiutischen Sprache

Deutsch ist heute eine der führenden Weltsprachen und liegt in Europa an der Zahl der Benutzer gemessen hinter Russisch an der zweiten Stelle. Martin Luther hat dank seiner Bibelübersetzung von Latein in die deutsche Sprache (16. Jh.) daran maßgeblichen Anteil. Ursprünglich sagte man „tiut“ (althochdeutsch: Diot) für „Volk“, „Tiutisch“ bedeutete demnach „völkisch“. Anders ausgedrückt: „Tiutsch“ stand für „das, was wir daheim reden“, „wie mir der Schnabel gewachsen ist“.

Bereits im Reich der Franken. entstand die Trennlinie zwischen den romanisch und germanisch sprechenden Kulturen. Beide beanspruchten für ihre Sprache das Etikett „Fränkisch“. Der erste Hinweis auf das Wort „Deutsch“ stammt bereits aus dem Jahr 786. Damals wurde in der englischen Grafschaft Northumberland eine Synode der Bischöfe Europas abgehalten. Den Bericht, den ein gewisser Bischof Georg von Ostia, Nuntius des Papstes Hadrian I. der Nuntius nach Rom schickte, gibt es noch. Darin heißt es, dass die Beschlüsse der Synode „tam latine quam theotisce“ – auf Lateinisch und auf Tiutisch – gefasst wurden, damit alle Anwesenden sie zu verstehen vermochten. 788 wurde das Wort „Deutsch“ im Urteil der Richter des karolingischen Reichstags in Ingelheim gegen den unabhängigen bayrischen Herzog Tassilo wegen Gefolgschaftsverweigerung verwendet. 813 empfahl Karl der Große seinen Priestern, ihre Predigten „in rusticam romanam linguam aut theodiscam“ (auf Französisch und Deutsch) zu halten.
Warum das eine Besonderheit war? Die Sprache der Germanen hatte im frühen Mittelalter einen schlechten Ruf.
Besonders die gelehrten Menschen jener Zeit sehnten sich nach der Kultur des alten Römischen Reiches. Sie schämten sich ihrer Muttersprache. Ganz gleich ob Italiener, Spanier, Franzosen oder Deutsche – wer als gebildet gelten wollte, musste des Lateinischen mächtig sein. Die Muttersprache war oft nur für den Umgang mit dem gemeinen Volk bestimmt.
Der Mönch Walahfrid etwa nannte in einem Brief an seinen Glaubensgenossen Liutpert sein heimisches „Theodisca“ „barbarisch“. Dem Volk aber gefiel der Name „Völkisch“ als Beschreibung für die Muttersprache. Um die Zeit zur Wende zum zweiten Jahrtausend war „Tiutisch“ als Bezeichnung für die deutsche Sprache in jedermans Munde. Mit Folgen: So behaupteten die Holländer bis ins 19. Jahrhundert, dass sie „Duits spreken“ – woraus der englische Begriff „Dutch“ abgeleitet wurde, bis heute Begriff für „Holländisch“.
(vgl. internationaler Pressebericht, 1990)
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Das Lied der Heiligen Bernadette Soubirous

Gibt es Wunder? Im europäischen Mittelalter glaubten die Menschen an die Kraft von Reliquien. Die Nachricht von wundersamen Heilungen löste Ströme von Pilgern aus. In besonderen Kirchen lag ihre letzte Hoffnung auf die Heilung von verschiedensten Leiden. Heute ist die Stadt Lourdes an der französisch-spanischen Grenze eines der bekanntesten Ziele von Pilgern.

Die Leute machten gewöhnlich einen großen Bogen um die Grotte von Massabielle, weil diese als verrufener Platz galt. Trotzdem sammelte dort am 11. Februar 1858 die 14-jährige Taglöhnerstochter Bernadette Soubirous aus dem Pyrenäendorf Lourdes Brennholz. An diesem Tag erblickte Bernadette zum ersten Mal die „Dame“: Sie beschrieb sie als jung, mit einem schneeweißes Kleid samt blauem Gürtel und mit einem Schleiermantel, der vom Kopf bis zu den Füßen reichte, bekleidet. Und an den bloßen Füßen leuchteten goldene Rosen. Die Erscheinung blieb nur für Bernadette sicht- und hörbar. Insgesamt 18 Tage lang. Für ihre Familie, den Pfarrer und die Behörden handelte es sich um einen klaren Fall von religiöser Hysterie. Vor allem, als das Kind auf Befehl der „Dame“ aus einer Quelle trinken sollte, wo es doch nirgends eine Quelle gab. Das Kind stopfte sich den Mund mit Lehm voll und erbrach. Plötzlich sickerte genau an der Stelle, an der das Mädchen im Erdreich gewühlt hatte, klares Wasser hervor. Tage später tauchte eine Nachbarin ihr todkrankes Kind Justin in letzter Verzweiflung in das kalte Wasser. Und siehe da. Das Kind wurde wieder vollkommen gesund und gilt als die erste Wunderheilung von Lourdes. Am 8. Dezember 1933 war Justin Bouhouhorts, nunmehr 77-jährig, auf dem Petersplatz in Rom dabei, als Papst Pius XI. Bernadette Soubirous heilig sprach. Sie wurde nur 35 Jahre alt und starb 1879 als Klosterschwester in Nevers. Als man im April 1925 ihr Grab öffnete, fand man den Leichnam völlig erhalten vor.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1989)
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Aberglaube oder moderne Wunder?

Wunder werden oft mit bestimmten Orten in Zusammenhang gebracht, besonders mit Lourdes (Frankreich). Hier beten tausende Menschen, die zum Teil liegend transportiert werden, vor der Grotte um Genesung. Jedes Jahr werden ungefähr 20 von ihnen auf unerklärliche Weise gesund. Ein internationales Ärzteteam untersucht die einzelnen Fälle und dokumentiert sie in einem Archiv. Eine Heilung wird erst dann als Wunder anerkannt, wenn die Gesundung von Dauer ist.

Schauplatz Krebsstation im Allgemeinen Krankenhaus in Wien: Fassungslos starrt der Oberarzt Dr. Heinz L., einer der führenden Krebsspezialisten Österreichs, auf das Röntgenbild in seiner Hand. Vor einem Jahr hatte er bei diesem Patienten Nierenzellkrebs und Metastasen in der Lunge diagnostiziert. Die Überlebenschance war äußerst gering, die Heilungschance: Null. Der Patient lehnte jede weitere Behandlung ab. Nun aber zeigte das Bild die Lunge vollkommen frei von Metastasen. Der Tumor war auf geheimnisvolle Weise verschwunden.
Ein Beispiel aus Deutschland: Nach menschlichem Ermessen hatte Günther K. keine Chance, da ein riesiger Tumor von der Leiste her in die Bauchhöhle drang, Lunge und Leber waren voller Metastasen. Ein Jahr später jedoch zeigten die Röntgenbilder keinen Hinweis mehr auf ein bösartiges Geschwür. Herr K. war wieder völlig gesund.
Erst seit wenigen Jahren sind unerwartete Heilungen ein wichtiges Thema in der Medizin. Gibt es eine unbekannte Kraft, die der Krebszelle den Befehl gibt „Stirb!“? Oberarzt Dr. L: „Ich kann diese Fragen nicht beantworten. Aus irgendeinem Grund beginnen die Krebszellen, sich selbst zu vernichten. Der Mechanismus ist aber unbekannt. Ich gehe davon aus, dass Methoden wie Psychotherapie und Meditation das allgemeine Befinden verbessern. Ob es dadurch eher zu einer spontanen Heilung kommt, ist ungewiss“.
Nach gründlicher Untersuchung von Geheilten kamen die Wissenschafter zu folgenden Ergebnissen:

  • Man kann davon ausgehen, dass es einen unbekannten Mechanismus gibt, der die Krebszelle veranlasst, sich selbst zu zerstören.
  • In weit größerem Ausmaß als bisher angenommen steht die Psyche mit dem Immunsystem in Verbindung. Daher spielen Denken und Fühlen des Patienten eine äußerst wichtige Rolle. Fast alle Menschen mit spontanen Rückbildungen hatten ihr Leben nach der Diagnose in wichtigen Punkten umgestellt. Sie lernten, Gefühle auszudrücken und die Krankheit nicht als Schicksalsschlag, sondern als Herausforderung zu sehen und an eine höhere Macht zu glauben, bei der sie Hilfe finden können. Dr. L.: „Studien belegen, dass gläubige Menschen bei einer Krebserkrankung höhere Überlebenschancen haben. Das Gleiche gilt für Patienten, die beten und für die gebetet wird.“

(vgl. österreichischer Pressebericht, 1999)
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3. Ritter, Kaiser und Papst

 

Alltag in den Burgen
Was war Ritter Ulrich von Liechtensteins höchstes Glück?


Alltag in den Burgen

Das Wort „Minnesänger“ leitet sich von einem beliebten Inhalt der Darbietung ab – der Minne. Sangen die Sänger doch am häufigsten von der Liebe, der „Minne“. Oft dichteten sie auch aus dem Stoff der alten Heldensagen kunstvolle Lieder. Besonders beliebt waren Sagen wie die von König Artus und seiner Tafelrunde oder die von den Nibelungen. Minnesänger waren im Mittelalter nicht nur Künstler sondern zugleich auch Verbreiter von Nachrichten. So erzählten sie in ihren Liedern auch Geschichten über Papst und Kaiser. Sie begleiteten ihren Gesang auf einem Saiteninstrument. Weitgereist wie viele waren, brachten sie die Kunde von dem, was in der Welt geschah, in die Abgeschiedenheit von so mancher Burg. Die Stars unter ihnen, angesehene Männer von adeliger Herkunft, hingegen besuchten vorwiegend die Herrensitze des ganzen Landes. Zu ihnen zählen Neidhart von Reuenthal, Walther von der Vogelweide und Ulrich von Liechtenstein.

Oft warteten Burgherr und –herrin, Ritter...monatelang auf einen Minnesänger. Kam dann endlich einer in Sicht, wurde der Gast mit Hörnerklang empfangen. Ein Knappe half ihm aus dem Sattel, ein Knecht übernahm das Pferd, die Burgherrin bot ihm die Wange zum Kuss, der Burgherr bewirtete ihn freigebig und lud ihn ein, am nächsten Tag mit auf die Jagd zu reiten. Bisher hatte man altgewohntem Sterz, eine Art Brei aus Getreide mit ein paar Speckwürfeln, Stockfisch oder Sauerkraut gegessen. Nun war die Zeit der Feste gekommen. Nichts war zu teuer. Und wenn zwei Gewürzbüchsen mit Inhalt so viel kosteten wie eine ganze Kuh. Egal. Der Gast war König! Es gab es herrlich gewürzten Braten. Der Minnesänger sollte was zu erzählen haben!
Und doch hatte das Leben als Star auch Schattenseiten. Höhenburgen hatten den Nachteil der mühsamen Anreise. Dazu kamen die kalten Winde auf den Bergen. Bei den in der Ebene errichteten Wasserburgen hingegen stiegen mit Einbruch der Dämmerung von den umliegenden Wassergräben bzw. von deren Ufern Schwärme von Stechmücken auf. Generell merkte man, dass Burgen der Verteidigung dienten, das Leben darin war nicht gerade behaglich. Es gab beengte und schlecht heizbare Wohnräume, vom Gestank des Pferdemists und vom Kot der Hunde erfüllte Höfe.
(vgl. internationaler Pressebericht, 1992)
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Was war Ritter Ulrich von Liechtensteins höchstes Glück?

Heute würde man die meisten Minnesänger als „Profis“ bezeichnen: Häufig des Schreibens unkundig, diktierten die Sänger ihre Texte Schreibern. Oft beteten sie darin eine bestimmte Edelfrau an, tatsächlich aber gab es eine Art Katalog von lobenswerten Eigenschaften. Aus dieser Vorlage übernahm der Dichter die Eigenschaften seiner Dame. Eine der Ausnahmen dürfte Ritter Ulrich von Liechtenstein (ca. 1200-1275) aus der Steiermark gewesen sein.

Ulrich kam als Zwölfjähriger in den Dienst seiner Herrin, wurde mit 17 ihr Minnesänger und trieb in seiner Dichtung den Minnedienst auf die Spitze. Ulrich brachte seiner Angebeteten einen Blumenstrauß in die karge Kemenate (Frauengemach). Als ihre Hand die Blumen an der Stelle berührte, wo er sie zuvor angefasst hatte, war das für ihn das höchste Glück. Ulrich ließ sich – wie er in seinem Buch „Frauendienst“ notiert – für seine Dame ungewöhnliche Liebesbeweise einfallen. Das Trinken schmutzigen Waschwassers galt noch als harmlose Variante von vielen Überspanntheiten. Deren Ursache lag nicht nur in der hingebungsvollen Liebe der Männer. Vielmehr forderten verehrte Frauen mitunter die absonderlichsten Beweise der Zuneigung. War doch die Minne für Frauen in der Burg die seltene Möglichkeit, etwas selbst zu bestimmen.
Ulrich bekam das zu spüren: Um der Herrin zu gefallen, ließ er sich seine Hasenscharte operieren – bei den Künsten der Ärzte des Mittelalters eine Heldentat. Dann mischte er sich auf ihr Geheiß unter die Leprakranken. Er aß sogar trotz seines Ekels aus deren Schüsseln. Und als er endlich am Ziel seiner Wünsche, im Gemach der Herrin ankam, wurde er zum Fenster hinausgeworfen und landete auf dem Misthaufen.
Ulrich blieb unverdrossen. Mit weitreichenden Folgen: Bei einem Turnier zu Ehren „seiner“ Dame wurde ihm ein Finger durchstochen und blieb fortan krumm und steif. Als ihm „seine“ Dame nicht glauben wollte, dass Ulrich um ihretwillen verletzt worden war, ließ er sich den Finger von einem Freund abschlagen und sandte ihn mit einem Liebesbrief in Versen seiner Dame. Diese bedauerte die „große Geschicht“ und meinte trocken, dass sie so etwas einem Mann mit seinen fünf gesunden Sinnen nicht zugetraut hätte.“
(vgl. internationaler Pressebericht, 1987)
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4. Das Werden Österreichs

 

Die Anfänge Österreichs
Erste Erwähnung
Alltag in Ostarrichi
Slawische Fürsten in Gars (NÖ)
Grabung in der Kirche von Hohenau/March (NÖ)
Sensationsfund in Wien
Der Fürstenstein
Wirtschaft als „Lebensmittel“ für das Stift Admont
Der heilige Wolfgang
Die Zeit der Babenberger
Fund auf dem Friedhof von Molzbichl (K)
Die Georgenberger Handfeste
König Richard von England und das Märchen vom Löwenherz


Die Anfänge Österreichs

Seit dem Untergang des Römischen Reichs hatten viele Stämme und Völker die europäischen Transitstrecken entlang der Donau einerseits, entlang der Bernsteinstraße von der Ostsee an die Adria andererseits benutzt. Kreuzungspunkt war der niederösterreichische Donauraum, war „Ostarrichi“.

Um 800 hieß das Gebiet des späteren Ostarrichi „Awarenmark“ bzw. „Ostland“. Für die Verwaltung Ostarrichis – damals ein Teil des Herzogtums Bayern – war der Markgraf zuständig. Er sollte mit seinen Rittern das Kernland der Franken vor Angriffen schützen. Insgesamt dürften in Ostarrichi Vor rund 1000 Jahren bildete es die Grenzregion eines der fränkischen Herzogtümer, nämlich Bayerns. Insgesamt dürften in Ostarrichi bestenfalls 30.000 Menschen, teils germanischen, teils romanischen Ursprungs gelebt haben. Die meisten siedelten in den von den Römern hinterlassenen Ruinen der Legionslager.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1996)
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Erste Erwähnung

1000 Jahre Österreich – dieses Ereignis wurde ausgiebig gefeiert. Was aber hat sich vor 1000 Jahren in der Ansiedlung Neuhofen an der Ybbs wirklich zugetragen? Die schriftlichen Aufzeichnungen über den damaligen Alltag sind rar. Meist haben nur Kaiser und Könige ihre Spuren in Dokumenten hinterlassen.

Es war ein an sich belangloses Schreiben, in dem am 1. November 996 „Ostarrîchi“ zum ersten Mal erwähnt wird; ein paar Wochen vor dem Sauschlachten auf dem Hof von Bauer Adam. Der Freisinger Bischof hatte bei Kaiser Otto III. um eine Bestätigung seines Besitzes in eben jenem Neuhofen angesucht. Die Angelegenheit war so nebensächlich, dass man in der Schreibstube des Kaisers eine 23 Jahre alten Vorlage heranzog und einfach die Ortsangabe sowie den zuständigen Markgrafen austauschte: Ostarrîchi liege „in der Mark des Grafen Heinrich, des Sohnes des Markgrafen Leopold“. Der Name „Babenberger“ tauchte erst 100 Jahre vor dem Ende ihrer Herrschaft über Österreich (976-1246) auf. Auch den Begriff „Ostmark“ gab es damals noch nicht, er ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1996)
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Alltag in Ostarrichi

Heute ist mehr als die Hälfte des Bodens in Österreich von Wald bedeckt. In Ostarrichi war es nahezu die gesamte Fläche. Diese Wildnis zu durchqueren bedeutete, Gefahren auf sich zu nehmen. In den Urwäldern hausten Wegelagerer und politisch Verbannte. Sichere Nachtquartiere boten, wenn überhaupt, nur die Klöster.

Die Lebensumstände mit denen sich Kaiser, König, Edelmann, Bürger, Bauer, Bettelmann herumschlagen mussten, waren miserabel. So betrug die Lebenserwartung im Durchschnitt nur 30 Jahre. Gebäude aus Stein waren eine Seltenheit, zumeist handelte es sich dabei um Kirchen. Die Menschen lebten in Holzbaracken oder überdachten Erdhöhlen. Selbst in den in den Häusern des Adels gab es knöcheltiefen Schmutz. Und die Körperpflege? Seife war unbekannt. Ein Gesandter des Kalifen Al Hakam II. aus Córdoba vermerkte nach einer Reise durch Mitteleuropa entsetzt, dass sich die Leute nur ein- oder zwei Mal im Jahr mit kaltem Wasser wuschen. Ihre Kleider hingegen wurden nie gewaschen. Man trug Gewand so lang bis es zum Fetzen wurde und zerfiel. Erst in der Zeit der Kreuzzüge beobachteten Kreuzfahrer mit Verwunderung, dass Mohammedaner selbst die „geheimsten Teile des Körpers“ täglich wuschen. Bemerkenswert war auch der Speiseplan: Konsumiert wurden vor allem Brot, Wein oder Bier, Erbsen, Linsen und Bohnen. Fleisch bildete eine Ausnahme.
Unterwegs waren die meisten Menschen zu Fuss, ein Weiterkommen war oft nur mit Schwierigkeiten möglich. An sich oblag die Erhaltung der Straßen und Wege zwischen den Siedlungen der Zentralgewalt. Die aber scheute die Kosten. Also griff man zum Mittel der Privatisierung. Regionale Machthaber erhielten das Recht, Maut und Zoll einzuheben. Zu den frühesten Wirtschaftsdokumenten Österreichs zählt die Raffelstettner Zollordnung, die den Warenverkehr auf der Donau regelte; verfasst Anfang des 10. Jahrhunderts, rund 90 Jahre vor der „Ostarrîchi-Urkunde“.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1996)
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Slawische Fürsten in Gars (NÖ)

Die Holzwiese auf dem Berg über Gars-Thunau ist uraltes Siedlungsgebiet und Forschungen zufolge bereits seit etwa 800 v. Chr. befestigt. Im 9. Jh. n. Chr. befand sich das Zentrum eines kleinen Fürstentums, das zwischen dem mächtigen Frankenreich im Westen und dem Mährischen Reich im Osten lag. 1041 eroberten die Babenberger dieses Gebiet.

Dessen Bewohner waren zum Großteil christliche Slawen. Der Herrenhof der Burganlage bestand aus einem rechteckigen, von Palisaden abgegrenzten Bereich. Darin lagen die Wohnhäuser der Fürsten, ihres Gesindes und auch der Friedhof der Herrscherfamilie samt Friedhofskapelle. Bedeutende Fürsten- und Frauengräber wurden bereits freigelegt. Woran man das erkennt? Einem Normalsterblichen in dieser Zeit wurden bestenfalls ein Messer und ein Schlageisen zum Feuer machen ins Grab mitgegeben. In Fürstengräbern hingegen fand man Langschwerter mit 80cm langen Klingen. Erstklassige Waffen der damaligen Zeit, von so guter Qualität, dass die rostige Klinge heute noch federt. Weitere Kostbarkeiten: Schwertgriffe mit Silberauflage, Gürtelschnallen, Riemenzungen aus Silber – vergoldet, Messer, Rasiermesser, Feuerschläger. An den Fersen trugen die Fürsten bereits die eisernen Sporen der Reiter. In den Frauengräbern fand man ebenfalls reiche Beigaben: Ohrgehänge aus Silber, vergoldet, feinste Filigranarbeit oder granuliert, Glasperlen, die aus dem Orient stammen.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1990)
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Grabung in der Kirche von Hohenau/March (NÖ)

Anfangs sollte die Kirche von Hohenau nur renoviert werden. Doch als der Fußboden geöffnet wurde, stieß Pfarrer Crijns auf einen alten Grabstein. Der Archäologe Dr. Johannes Wolfgang Neugebauer vom Bundesdenkmalamt legte in Windeseile 2700 Jahre Geschichte frei. Über Gotik und Romanik stieß er bis in die Hallstattzeit vor.

In der Erde unter dem Kirchenboden wurde typisch keltische, schwarze Keramik gefunden. Das beweist, dass der Hügel, auf dem heute die Pfarrkirche von Hohenau steht, schon zur Hallstattzeit (um 800 v. Chr.) besiedelt war. Im 9. und 10. Jahrhundert n. Chr. befand sich auf dem Kirchenhügel eine slawische Siedlung. Wieso man darauf kam? Vor dem heutigen Hochaltar sind in der Erde noch die dunklen Pfostenlöcher der Häuser zu erkennen. Außerdem wurde Keramik mit slawischer Wellenband-Verzierung gefunden...
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1998)
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Sensationsfund in Wien

Auf viele Funde stößt man bei Erdarbeiten zufällig. So auch bei den Bauarbeiten für die Errichtung der Wiener Schnellbahnlinie 7.

Seither kommen nicht nur die Ingenieure der ÖBB sondern auch die Archäologen bei ihrer Arbeit ordentlich ins Schwitzen. Letztere sind mit Kelle und Hacke in den geheimnisvollen Tiefen der Römerzeit und des Mittelalters unterwegs. Sie fanden nicht nur einen römischen „Spitzgraben“ aus dem 2. Jh., der zur Abwehr germanischer Eindringlinge diente. Vielmehr machten sie eine sensationelle Entdeckung: einen Awarenkrieger, der samt seinem Pferd bestattet wurde. Seine kostbaren Grabbeigaben, unter anderem ein Peitschenknauf aus Elfenbein, deuten auf den hohen sozialen Rang des Toten hin.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1999)
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Der Fürstenstein

1991 kam es zwischen Österreich und dem jungen slowenischen Staat zum Streit. Anlass war die Darstellung des Kärntner Fürstensteins auf den vorläufigen Tolar-Noten der neuen slowenischen Währung.

Chroniken zu Folge kämpfte 595 ein Baiernherzog namens Tassilo (ein Vorfahre jenes Tassilo, dessen Kelch in Kremsmünster/OÖ aufbewahrt wird) mit Slawen auf Kärntner Boden. Dort, wo Urkunden und Chroniken fehlen, hilft dem Historiker oft die Ortsnamenkunde weiter. Sie beweist, dass das Siedlungsgebiet der Slawen in diesen frühen Jahrhunderten eine gewaltige Ausdehnung gehabt haben muss. Anscheinend wanderten sie von der Donau kommend die Alpentäler hinauf und siedelten in Gemeinschaft mit Resten romanischer und germanischer Bevölkerung zwischen Donau und Tagliamento, im Westen bis ins Pustertal hinein und im Osten – vor dem Einbruch der Ungarn – bis an den Plattensee. In Kärnten und der Steiermark gibt es zahlreiche slawische Orts- und Flurnamen, sie reichen sogar über Niederösterreich bis in den Wiener Raum. So sind Liesing, Währing, Döbling sind trotz ihrer deutsch klingenden -ing-Formen slawische Bachnamen. Die Gegend des oberösterreichischen Steyr wurde noch 834 „pars Sclauorum“ genannt, und sogar im Ortsnamen von Windischgarsten lebt der von den Deutschen für die slawischen Nachbarn gebrauchte Volksname weiter.
Vermutlich waren die Slawen bei ihrer Einwanderung in Sippenverbänden organisiert und von den Awaren abhängig. Nach deren erster großen Niederlage bei Konstantinopel (630) dürfte Samo sein Slawenreich vom Sudetengebiet bis an die Grenze des langobardischen Italien ausgedehnt haben. Vermutlich wurden die Alpenslawen mit dem Tod Samos (um 650) selbstständig. Wallucus, ein Fürst „des Grenzlandes der Wenden“ errichtete ein Fürstentum, dessen Zentrum in einer uralten Kulturregion – dem Zollfeld – lag. Der Name „Karantanien“ beruht offenbar auf einer Übernahme aus der Stammesbezeichnung der keltischen Vorbewohner und bedeutet Fels- oder Steinleute. Zum Herrschaftsgebiet Karantaniens zählten Kärnten, Osttirol und die Steiermark; ob es im Norden bis zu den Ausläufern der Kalkalpen und zur Donau und im Süden auch in das spätere Krain hineinreichte, ist umstritten. Mit der Bindung an das bayrische Stammesherzogtum (das sehr bald selbst unter fränkische Oberhoheit geriet) begann die Missionierung der Alpenslawen.
In die Zeit des selbstständigen Karantanien fällt vermutlich auch der Beginn der Zeremonie der Herzogseinsetzung auf dem Fürstenstein, einer umgedrehten Basis einer ionischen Säule. Er ist das älteste erhaltene österreichische Herrschaftszeichen. Berichten aus dem Spätmittelalter zufolge war das Ritual um den Fürstenstein bei der Einsetzung der Kärntner Herzöge nur ein Teil der Zeremonie; sie wurde mit der Einsetzung der Herrscher auf dem Herzogsstuhl bei Maria Saal fortgesetzt. Für die heutigen Slowenen ist der Fürstenstein ein Symbol ihrer frühesten Staatlichkeit.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1991)
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Wirtschaft als „Lebensmittel“ für das Stift Admont

Hier – im ältesten Kloster der Steiermark (1074 gegründet) grünt es, so weit das Auge reicht. Kein Wunder, sind doch 21.500 Hektar Wald Eigentum des Stiftes, der damit der viertgrößte Grundbesitzer Österreichs ist.

Das Benediktinerstift – wegen seiner Kloster-Bibliothek mit 160.000 Bänden (der größten der Welt!) – weithin bekannt – steht für Marktwirtschaft. Mit 1000 Beschäftigten wurden zuletzt über 120 Millionen ¤ Jahresumsatz erwirtschaftet. Die Marktwirtschaft überlassen die Mönche weltlichen Managern, die ihren Job gut machen. In den stiftseigenen Wirtschaftsbertrieben finden rund 1000 Menschen Arbeit. Sogar ein eigenes E-Werk gibt es. Besonders herausragend sind zwei Holz verarbeitende Betriebe. Die DANA in Spital am Phyrn ist österreichischer Marktführer für Türen und Zargen. Die Firma STIA in Admont bildet das zweite Standbein. Hier wird unter anderem der Admonter Naturboden im Landhausstil erzeugt. Der Exportanteil beträgt 45 Prozent, Käufer gibt es sogar in den USA und in Japan. Augenscheinlich ist die Bautätigkeit: Seit vier Jahren wird an und in den Gebäuden restauriert und modernisiert. Auch in den 27 von Admont mitbetreuten Pfarreien zahlt der Konvent der Diözese großzügig die Renovierungskosten. „Ora et labora“, was ist aus der alten Benediktinerregel geworden? Ora: 1999 lebten nur 13 Mönche im Stift, dennoch geht Abt Bruno Hubl davon aus, dass kein Aussterben droht. Gebetet wird drei Mal am Tag. Labora: Im Stiftsgymnasium werden über 600 Schüler von weltlichen und geistlichen LehrerInnen unterrichtet.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1999)
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Der heilige Wolfgang

Rund um den Wolfgangsee sind Legende und Geschichte eng verwoben. So bezeugt eine Kapelle die Stelle über der Einsiedlerhöhle, wo der Heilige am 31. Oktober 994 gestorben ist. Pilger schöpfen am Falkenstein Wasser aus der Quelle, die Wolfgang aus dem Fels geschlagen haben soll. Und in der Kirche von St. Wolfgang suchen Gläubige immer wieder den Abdruck von Wolfgangs Füßen im Stein seiner Zelle.

Wer war Wolfgang? Er wurde 925 als Sohn kleiner Adeliger im schwäbischen Pfullingen geboren und erhielt in der Klosterschule auf der Reichenau in Würzburg und als Mönch in Einsiedeln eine gründliche Ausbildung. Wolfgang trat in den Dienst der Reichskirche, wirkte in Köln und Trier und wurde 972 Bischof von Regensburg. Wolfgangs strenge Reformen brachten Ordnung in Kirche und Klöster. Durch sein einfaches Leben und seine Frömmigkeit gewann Wolfgang das Volk für sich. Gemäß einer Urkunde war die Umgebung des heutigen Wolfgangsees damals regensburgischer Besitz: 976 erhielt Wolfgang von Kaiser Otto II. die Erlaubnis, eine Fluchtburg errichten zu dürfen. In deren Zentrum stand eine achteckige Kapelle, die – wie man erst 1952 nach einem Brand entdeckte – heute den Altarraum der St. Ulrichs-Kirche bildet. Im Alter von 70 Jahren erkrankte er bei einer Donaufahrt und starb in Pupping bei Eferding. Wolfgangs Heiligsprechung erfolgte bereits 1052.
Weil Wolfgang so viel unterwegs war, wird seiner auch an so vielen Orten gedacht. Bei Regensburg wächst eine tausendjährige Eiche, unter der er gerastet haben soll. In St. Wolfgang bei Dorfen wird eine Quelle in der Kirche auf ihn zurückgeführt und in St. Wolfgang bei Baumburg treten die Wallfahrer in seine Fußstapfen und zwängen sich durch ein Loch im Stein, um so Wolfgangs Fürsprache zu erlangen. Weiters gibt es noch die vielen „Wolfgangihackeln“, weil Wolfgang ja den Ort für seine Kirche am Abersee durch einen Beilwurf bestimmt haben soll.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1994)
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Die Zeit der Babenberger

Die Herrschaft der Babenberger prägte das mittelalterliche Österreich in vielen Bereichen. Damals schon war Wien ein Tor zum Osten.

Im 12. Jahrhundert erlebte Österreich eine Blütezeit. Wo sich noch 100 Jahre zuvor undurchdringliche Wälder und ödes Heideland ausgebreitet hatten, pflügten und pflanzten nun die Bauern und lernten von den Mönchen, wie die Felder gedüngt und Obstbäume veredelt werden mussten. Das Reisen war nun sicher, wenn auch oft Maut zu zahlen war, selbst die Straßen und die Brücken waren – für damalige Verhältnisse – in gutem Zustand. Ortsnamen deuten daraufhin, dass Reisende in Klosterhospizen aufgenommen und betreut wurden. So etwa in Spital bei Weitra, Spital am Semmering (beide NÖ), Spital am Phyrn (OÖ), Spittal an der Drau (K).
Bemerkenswert ist die Internationalität der Eheverbindungen der Herrscher: Wie sein Großvater Heinrich II. Jasomirgott heiratete auch Herzog Leopold VI. eine byzantinische Prinzessin. Sein Sohn Friedrich II. vermählte sich mit einer Griechin, deren Vater als Kaiser in Kleinasien regierte. Mit dem Gefolge der Prinzessin gelangten Einflüsse griechischer Kultur und Lebensart nach Österreich, etwa das Kinderlied „Eia poppeia“.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1993)
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Fund auf dem Friedhof von Molzbichl (K)

In Molzbichl östlich von Spittal an der Drau befindet sich das älteste Kloster Kärntens. Hier sorgen immer wieder Funde für Aufsehen.

Wieder einmal gerät Molzbichl in die Schlagzeilen. Verantwortlich dafür ist die Entdeckung von neun Skeletten aus dem 10. Jahrhundert. Jetzt kann man endlich auf die enorme Größe des Friedhofes schließen. Demnach war der mittelalterliche mindestens vier Mal so groß wie der heutige. Ein wesentlicher Grund dafür waren die im Kloster befindlichen Reliquien von St. Tiburtius. Der Märtyrer galt im Frühmittelalter als Garant für die Auferstehung, weil er der Erzählung nach ohne Gericht in den Himmel aufgenommen wurde. Deshalb wollten viele Menschen auf dem Gelände des ehemaligen Klosters, ganz in der Nähe des Heiligen, bestattet werden. Damit brach man mit einem strengen Gesetz aus der Römerzeit, das die Bestattung im Siedlungsgebiet verbot. Die Menschen wurden nach christlichen Richtlinien begraben, bei den Frauen finden sich gemäß der slawischen Tracht mondsichelförmige Ohrringe und Schläfenringe. Die strikte Ausrichtung der Skelette nach Osten beweist die starke Gläubigkeit der Menschen, liegt doch laut Bibel das Paradies in Richtung Sonnenaufgang. Im 10. Jahrhundert wurde das Kloster aufgelassen, die Reliquien von St. Tiburtius verblieben aber in der Pfarrkirche.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1991)
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Die Georgenberger Handfeste

Der 17. August 1186 gilt als eines der bedeutendsten Daten in der Geschichte Österreichs. Damals wurde hoch über der Enns – knapp hinter der heutigen Grenze zwischen Steiermark und Oberösterreich – zwischen den Traungauern und den Babenbergern die Erbfolge der Babenberger in der Steiermark festgelegt.

Das Geschlecht der Traungauer stammte ursprünglich aus dem Chiemgau, hatten jedoch auch verwandschaftliche Wurzeln im Friaul und in der Karantanischen Mark an der Mur. Ihre erste Machtbasis war die Herrschaft Steyr. 1180 wurde Markgraf Otakar IV. durch Kaiser Friedrich II. zum Herzog der Steiermark erhoben. Damit erfolgte die Loslösung aus den noch bestehenden lehensrechtlichen Bindungen an Bayern und Kärnten. Das Gebiet der Steiermark erstreckte sich bis in das heutige Slowenien. Otakars IV. starb am 9. Mai 1192 im Alter von 29 Jahren an Lepra. Damit trat der 1186 geschlossene Erbvertrag („Georgenberger Handfeste“) in Kraft. Die besondere Bedeutung des Georgenberger Vertrags hat mehrere Gründe: Die Steiermark wurde damit gleichwertig neben das Herzogtum Österreich gestellt, die Babenberger hatten enormen Machtzuwachs, dem wurden die Rechte des Adels und der Landstände fixiert. Daher wird der Georgenberger Vertrag von vielen Wissenschaftern als eine Art frühe Verfassung gesehen.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1992)
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König Richard von England und das Märchen vom Löwenherz

Es war einmal vor langer, langer Zeit ein streitlustiger König. Er hatte das Pech, in die Hände seines Feindes zu fallen. Aber da gab es auch einen Räuberhauptmann, der die Reichen bestahl, um den König aus der Haft freizukaufen. Sein Name: Robin Hood.

Was die Legende erzählt: Auf der Heimreise vom dritten Kreuzzug übernachtete Richard I. Löwenherz im Dezember 1192 in einem Gasthaus in Erdberg im heutigen Wiener Bezirk Landstraße. Dort erregte er prompt Aufmerksamkeit, weil er mit kleinasiatischen Goldmünzen zahlen wollte. Richard wurde verraten, von den Leuten Herzog Leopolds V. gefangen genommen und dem mächtigen Lehensmann Hadmar von Kuenring zur Verwahrung übergeben. Man brachte Löwenherz nach Dürnstein auf die Burg (ob in die untere oder obere ist unklar), wo man ihn einsperrte. Löwenherz wurde durchaus komfortabel untergebracht, was aber nichts daran änderte, dass die Angelegenheit für den österreichischen Herzog nicht ganz problemlos war. Besaßen doch Kreuzfahrer das Vorrecht der Unverletzlichkeit. Wer dieses päpstliche Gebot missachtete, musste mit dem Kirchenbann rechnen. Leopolds Glück: Er fand in Kaiser Heinrich VI. einen eher geldgierigen als frommen Mann, der bereit war, den Österreicher zu unterstützen. Voraussetzung: die Teilung des Lösegeldes. In England war König Richards Bruder John über seine Regentschaft glücklich. Demnach versuchte er, diese möglichst lange auszudehnen. Die Bogenschützen des Robin Hood mussten nachhelfen und für den gefangenen König das Geld zusammenstehlen. Nach einigem Hin und Her kamen tatsächlich die geforderten 100.000 Kölner Mark Silber nach Wien. Richard wurde 1194 freigelassen und übernahm wieder die Regentschaft in England.
Leopold V. konnte sich nicht lange am Lösegeld erfreuen: Er erlitt zu Silvester 1194 bei einem Turnier einen schweren Unfall. Auf dem Sterbebett beichtete er. Vom päpstlichen Bann aber wurde Leopold V. erst nach der Zusicherung befreit, England das noch offene Lösegeld zu erlassen.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1995)
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5. Städtewesen im europäischen Mittelalter
5.1 Die Wiederkehr der Stadt

 

Wie aus Vindobona Wien wurde
Der Augustinerturm
Ernährungsgewohnheiten im Mittelalter
Angst vor dem Wasser


Wie aus Vindobona Wien wurde

Bereits in der Jungsteinzeit siedelten im Bereich des heutigen Wien Menschen. Die ältesten sichtbaren Reste stammen von den Römern. Sie gelten als Ausgangspunkt des modernen Wien.

Um 400 wurde das römische Militärlager Vindobona durch einen Großbrand großteils zerstört, Germanen verwüsteten die Zivilstadt im Bereich des heutigen 3. Bezirks. Dennoch blieben Teile beider Siedlungen intakt, Reste der Mauern und ein Wachturm des Militärlagers bestanden sogar bis 1280. Funde von Münzen, Gebrauchsgegenständen, Gräbern und Gebäuderesten beweisen, dass der Wiener Raum auch nach dem Jahr 400 besiedelt war. Hier lebten in den Jahren 400 bis 1000 Hunnen, Awaren und Magyaren, verschiedenste germanische und slawische Völker und auch Nachkommen der Romanen. Worauf aber geht der Name Wien zurück? Die einzige Urkunde jener Zeit, in der Wien genannt wurde, sind die „Salzburger Annalen“. Hier scheint unter der Jahreszahl 881 eine Schlacht mit den Ungarn bei „Wenia“ auf. Aus diesem althochdeutschen Wort wurde das mittelhochdeutsche „Wienne“ und später „Wien“ abgeleitet. 1137 wurde Wien in der Chronik erstmals als Stadt bezeichnet. Im selben Jahr begann man mit dem Bau des Stephansdoms, 1156 verlegten die Babenberger ihre Residenz auf den Platz am Hof in Wien.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1996)
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Der Augustinerturm

Begonnen hatte alles mit Bauarbeiten, bei denen ein Baggerfahrer im Herzen Wiens gegen eine Steinwand stieß. Überaus vorsichtig wurde die Mauer freigelegt. Und dann erkannten Fachleute an Hand alter Pläne die „echte Sensation“.

Bei den Mauer konnte es sich nur um den Augustinerturm handeln, der mit rund 800 Jahren das bislang älteste eigenständige, noch existierende Gebäude Wiens ist. Mit einem quadratischen Grundriss von rund 10 x 10 Metern und 2 m dicken Sandsteinmauern verfügt er noch dazu über eine beachtliche Größe. Damals war Wien so etwas kleiner als der heutige erste Bezirk und hatte rund 20.000 Einwohner. Um 1200 errichteten die Babenberger mit einem Teil des Lösegelds für König Richard I. Löwenherz eine 4,5 km lange Mauer. Diese hatte 10 Wehrtürme, einer davon war der Augustinerturm. Im Zuge von Erweiterungen der Stadtmauer hatte der Turm rund 250 Jahre später ausgedient, nun diente er den Mönchen des benachbarten Augustinerklosters 70 Jahre lang als Klosettanlage. Nach der Türkenbelagerung 1529 wurde die Verstärkung der Stadtmauer notwendig. Man trug einen Teil des Augustinertums ab, der etwa 12 Meter hohe Rest wurde mit dem alten Graben um die Stadtmauer zugeschüttet und blieb so erhalten. Auf diese Weise hatte man ihn auf gut Österreichisch „vergessen“. Im Inneren des Turmschachts stießen Fachleute auf eine zwei Meter hohe Fäkalschicht. Sie erwarten sich von den rund 500 Jahre alten Exkrementen interessante Ergebnisse wie Auskunft über Ernährungsgewohnheiten und Krankheiten im Mittelalter.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1999)
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Ernährungsgewohnheiten im Mittelalter

Für viele Feinschmecker von heute sind die Ernährungsgewohnheiten im Mittelalter nur schwer nachvollziehbar. Das betrifft sowohl die Zubereitung der Speisen als auch die Auswahl der Nahrungsmittel. Essen war auch im Mittelalter ein soziales Unterscheidungsmerkmal: Der Adel hatte das Vorrecht der Jagd, Rohrzucker, exotische Gewürze und Früchte waren schwer erhältlich, folglich also sehr teuer.

In erster Linie diente auch damals Essen dazu, Hunger zu stillen. An den Fasttagen – im Mittelalter an etwa 150 Tagen pro Jahr – war der Genuss von Fleisch, tierischem Fett, Eiern und Milchprodukten verboten. Der Sinn des Fastens wurde aber durch die Erfindung verschiedenster Ersatzprodukte immer stärker in Frage gestellt. Wie etwa bei falschem Rebhuhnbraten: Dabei wurden Fischteile in eine Holz-Vogel-Form gepresst, gekocht und dann wie ein Rebhuhn gebraten. Milch durch vielfach durch gepresste Mandeln ersetzt, aus Mohn oder Hanf stellte man Käseersatz her. Dennoch verspeiste jeder spätmittelalterliche Mensch nördlich der Alpen durchschnittlich etwa 40 Kilogramm Fleisch jährlich. Berücksichtigt man die vielen Fasttage ergibt das einen täglichen Fleischkonsum von etwa 20 Dekagramm – ähnlich wie vielerorts heute in Europa. Zwei wesentliche Unterschiede bestanden allerdings: Im Mittelalter Man verwertete man nicht bedeutend mehr Teile (z.B. Kalbseuter oder Hirschgeweihe) sondern auch andere Tiere (z.B. Eichhörnchen).
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1997)
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Angst vor dem Wasser

Seit dem Altertum galt das Bad als Inbegriff von Sauberkeit. Im Mittelalter erfolgte ein grundlegender Bedeutungswandel, der Jahrhunderte lang Europa prägte.

Zu Beginn des Mittelalters liebten es die meisten Menschen ausgiebig zu baden.
Oft wurde im Holzzuber gefeiert, Männer und Frauen vergnügten sich gemeinsam im Wasserbecken oder Dampfbad. Was man darunter verstand: Weil der Aufwand, für jeden Einzelnen das Wasser zu wärmen viel zu groß war, rückte die gesamte Familie im Gemeinschaftsbadebecken zusammen. Beim Haare Waschen kniete man vor einer flachen Schale und übergoss den Kopf mit Wasser aus Krügen. Mit dem Hereinbrechen der ersten Pestepidemie über Europa , kam das vorläufige Ende des Bades. Nun mieden die Menschen aus Angst vor der Seuche Körperkontakt. Sie meinten, dass warmes Wasser die Haut erschlaffen lässt, sich dann Risse bilden, durch die einerseits Krankheiten und Gifte in den Menschen eindringen; andererseits Lebenskraft und Tugenden entweichen, was zu Schwachsinn führt. Als Folge dieser Entwicklung mussten die meisten öffentlichen Bäder zusperren. Fortan rieb man den Körper nur noch mit parfümierten Tüchern ab, Wasser diente lediglich zum Reinigen von Mund und Händen. Abreibungen mit zerriebenen Rosenblättern sollten den Gestank unter den Achselhöhlen vertreiben helfen. Nach und nach wurden Unterwäsche und Kleidung als Zeichen der Sauberkeit wichtig. Die Menschen sprachen dem Stoff reinigende Wirkung zu, weil er in direktem Kontakt mit der Haut dem Körper Schweiß und Schmutz entzog. Der Weißheitsgrad der Wäsche galt als Merkmal der Sauberkeit. Menschen wurden vor allem nach dem äußeren Schein beurteilt. Es galt, die Kleidung der Mode anzupassen, prächtig und auffallend. Auch der Kopf wurde in den Aufputz miteinbezogen. Die Menschen schminkten sich Gesichter kalkweiß mit knallig roten Wangen, trugen aufwändige, kunstvolle Frisuren. Schließlich musste noch wegen der fettsaugenden Wirkung massenhaft Puder ins Haar, um aufs Haarewaschen verzichten zu können. Parfum verdrängte Körpergerüche mehr oder weniger erfolgreich. Erst im 18. Jh. waren Parfum, Puder und „Wachsgesichter“ „out“. Nun bekam Wasser wieder einen neuen Stellenwert.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1990)
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5.2. Die Stadt – Mittelpunkt von Handel, Bildung und Kultur

 

Heilkunde und medizinische Wissenschaft
Behandeln mit Gottes Hilfe und die Anfänge der modernen Medizin
Die Bibel des Volkes
Kann der Stephansdom vor dem Verfall gerettet werden?


Heilkunde und medizinische Wissenschaft

Medizin, Religionswissenschaft und Rechtslehre zählen zu den ältesten Studienrichtungen. Dennoch war die Kunst der Ärzte im Mittelalter sehr umstritten. So alltäglich Arztbesuche in Österreich heute sind, im Mittelalter galt der Arzt als letzter Ausweg.

Wenn im Mittelalter jemand in Europa erkrankte, versuchten zunächst Heilkundige – vor allem die Frauen in der Großfamilie – den Heilungsvorgang mit uralten Methoden wie Tees, Wickel oder Schwitzbädern herbeizuführen. Diese Maßnahmen wurden von Gebeten, Amuletten, Zaubersprüchlein oder – was fast noch wichtiger schien – von Gelübden begleitet. Erst wenn das nichts half, rief man den Bader, der eine Art Mehrzweck-Kuranstalt betrieb. Dort konnte man in Holzschaffeln baden, dort wurden Haare geschnitten, Bärte gestutzt und auch Zähne gezogen. Der Bader ließ zur Ader, indem er Blutegel oder Schröpfköpfe ansetzte. In einem besonderen Raum wurden schwierige Eingriffe wie Aufschneiden von Furunkeln, große Aderlässe („dickflüssigen“ Kranken wurde bis zu anderthalb Liter Blut abgenommen!) durchgeführt. Zu den Spitzenleistungen der Bader zählte das Entfernen von Blasensteinen. Der Patient lag auf einem „Marterstuhl“, der Bader arbeitete mit schmutzigen Instrumenten. Was oft Dauerschäden (Blasenleiden ...) zur Folge hatte.
Viele Bader waren nicht sesshaft, sondern zogen von einem Jahrmarkt zum anderen. Dort priesen sie auf rasch errichteten Podesten, umgeben von Seiltänzern, Clowns, Feuerschluckern und dressierten Affen, ihre Künste an. Vor den Augen der gaffenden Menge rissen sie mit klobigen Zangen Zähne, stachen Geschwüre auf, brannten offene Wunden zum grausigen Vergnügen des Publikums aus oder verbrühten sie mit heißem Essigwasser. Das alles geschah bei vollem Bewusstsein der Patienten. Das Gebrüll der „Behandelten“ galt als Markenzeichen der Bader und lockte Neugierige an.
(vgl. österreichischer Presssebericht, 1995)
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Behandeln mit Gottes Hilfe und die Anfänge der modernen Medizin

Seuchen rafften im Mittelalter einen großen Teil der Menschen dahin, die Kindersterblichkeit lag auch ohne Seuche bei etwa 50 Prozent. Schon damals war Krebs („krebez“) als die bösartigste und gefährlichste aller Körpergeschwülste gefürchtet. Wie aber mit Krankheit umgehen? Zwischen den Heilkundigen in Europa und in der arabischen Hochkultur gab es Auffassungen, die kaum gegensätzlicher hätten sein können.

In Europa litt die Vielzahl der Menschen des Mittelalters unter Krankheiten, Augenleiden und Zahnschmerzen, Aussatz und „schlag“, Wassersucht, Krämpfen. „dünnschysz“ oder „blutscheysz“ begleiteten sie durchs Leben. Die Klostervorsteherin Hildegard von Bingen empfahl Gichtgeplagten einen speziellen Heilschlamm. Sie sollten einen Ameisenhaufen mitsamt den Ameisen in Wasser kochen und sich daraus ein Bad bereiten. Mittelalterliche Chirurgen kannten Mittel und Wege, um das bei den Eingriffen sprudelnde Blut zu stillen. Schlafschwämme, mit Opium getränkt, halfen den Opfern wenigstens teilweise, die üblen Prozeduren schmerzfrei zu überstehen. Als Werkzeuge wurden – vielfach bis ins 18. Jahrhundert hinein – Zangen und Sonden, Messer, Brennkegel, Schnapper oder Spekula verwendet. Dennoch muten die Behandlungsmethoden aus heutiger Sicht abenteuerlich an. Aus einer Hebammenordnung um das Jahr 1480: Schwangere Mütter, die fühlen, dass sie sterben müssen, waren demnach im unteren Teil des Bauches in der Gegend des Schambeines mehr als eine Handbreit weit aufzuschneiden. Sodann sollten die Eingeweide der auf der Seite liegenden Frau mit einer „geölten Hand“ weggeschoben werden. Anschließend erfolgte die Öffnung der Gebärmutter und die Befreiung des Kindes aus dem Leib der Mutter.
Ganz anders war die Lage in der arabischen Hochkultur: Bereits im 11. Jh. durften Ärzte ihr Gewerbe nur mit einer Art staatlichen Zulassung betreiben. Der arabische Wunderarzt Abulcasis gab bereits damals genaue Hinweise zur Entfernung einer Krebsgeschwulst. Mit Hilfe von metallischen Holznadeln wurden wahrscheinlich schon im 11. Jahrhundert Erkrankungen des Auges operiert. Ab dem 12. Jh. verbreitete sich allmählich das Medizinwissen der Araber, von Spanien kommend, bis an die jungen europäischen Universitäten. Damit erreichten die anatomischen Kenntnisse der Antike und der physiologische Erfahrungsschatz der altindischen Heilkunde das christliche Europa. Nun erst verlor hier die Medizin einen Teil ihrer abenteuerlichen, von Theologie, Sterndeuterei und Aberglauben geprägten Züge.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1995)
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Die Bibel des Volkes

Heute noch – Jahrhunderte nach der Herstellung – leuchten in vielen gotischen Kirchen die bunten Glasfenster in den tollsten Farben. Voller Bewunderung studieren viele Menschen die Einzelheiten der Abbildungen und tun damit genau das, was die Auftraggeber damit bezwecken wollten.

Bis in das späte Mittelalter konnten die meisten Menschen weder lesen noch die Worte des in Latein gehaltenen Gottesdienstes verstehen. Sie „lasen“ in den Wandgemälden, Reliefs und bunten Glasfenstern ihres Gotteshauses. Die bunten Scheiben wurden in Glaserwerkstätten hergestellt, wo Fachleute durch Beimischen von Chemikalien in die dünnflüssige Glasmasse die prachtvollen Farben erzeugten. Mit einem Glasschneider brachte man die Stücke in die richtige Form, mittels Bleistegen gelang es, verschiedenste Formen herzustellen. Bis heute konnte man das Geheimnis der mittelalterlichen Farbenvielfalt nicht lüften. Deshalb steht man bei Reparaturarbeiten vor dem Problem, kaputte Scheiben nicht wiederherstellen zu können.
Eines der schönsten Beispiele mittelalterlicher Glaskunst ist das „Margarethen-Fenster“, das seit 1237 seinen Platz hinter dem Hochaltar des Gotteshauses von Stift Ardagger im Herzen des niederösterreichischen Mostviertels hat. Nur noch im Chorumgang der Kathedrale von Chartres und im Freiburger Münster ist ähnlich Kostbares bis heute erhalten geblieben. Die „Stifterscheibe“ besteht aus 14 Medaillons, jedes in heute unerreichbarer Farbgebung. Motiv des Fensters ist die Legende der heiligen Margaretha.
Mehr als 950 Jahre nach der Gründung des Kollegiatsstiftes Ardagger durch Heinrich III. strahlt das Margarethen-Fenster im Glanz von damals. Dass es unbeschadet die vielen Kriege in all den Jahrhunderten überdauert hat gleicht einem Wunder.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1998)
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Kann der Stephansdom vor dem Verfall gerettet werden?

Der Stephansdom – von vielen Wienern liebevoll „Steffl“ genannt, gilt als DAS Wahrzeichen Wiens und zugleich Österreichs.

Zweifellos sind viele Kirchen Österreichs in äußerlich schlechtem Zustand. Kaum eine Kirche geht so vielen Menschen so nahe wie der Stephansdom. Gezieltes Herumgehen reicht oft bereits für eine erste Bestandsaufnahme. Unübersehbar nagt der Zahn der Zeit seit der Weihe 1147 am Bauwerk. Türkenbelagerungen und die beinahe alles zerstörende Brandkatastrophe in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges (April 1945) machten dem Kalksandstein des Stephansdoms schwer zu schaffen. Bis 1987 dauerte die Reparatur der Kriegsschäden. Für die Beseitigung von Verwitterungsschäden reichte das Geld nicht. Die Folge: Am 12. März 1987 brach aus der Fassade ein eineinhalb Kilo schwerer Mauerteil heraus und stürzte direkt auf den Stephansplatz. Glücklicherweise kamen dabei keine Menschen zu Schaden, der Schreck aber war riesengroß. Schließlich wurde ein Sanierungsplan erstellt, der die jährlichen Sanierungskosten von rund 2,5 Millionen ¤ sicherstellen soll.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1992)
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6. Die Krise im Mittelalter – als vieles anders wurde

 

Waffentechnik im Mittelalter
Die Entscheidungsschlacht von Dürnkrut/Jedenspeigen (NÖ)
Das Wüten der Pest
Die Hintergründe und die Folgen der Pestepidemie in Indien
Pest breitet sich in Indien aus, neue Städte betroffen
Entwarnung – keine Pestgefahr für Europa
Die neuen, alten Seuchen


Waffentechnik im Mittelalter

Mit dem Einsatz der Atombombe begann eine neue Zeit in der Rüstungsindustrie. Mit enormem Geldaufwand entwickeln Wissenschafter immer neue, noch gefährlichere Waffen. Im Gegensatz dazu befassten sich nun Ingenieure mit dem Nachbau einer Waffe aus dem Mittelalter.

Fachleute rekonstruierten unter der Leitung eines Experimentalarchäologen eine rund 1000 Jahre alte mauerbrechende Steinschleuder („Blide“). Dieser Waffentyp gilt als das wirkungsvollste Kriegsgerät vor der Erfindung des Schwarzpulvers. Die Steinschleuder ist 18 Meter hoch und 30 Tonnen schwer und kann bis zu 100 Kilogramm schwere Findlinge in die Luft wuchten. Unter Otto IV. (1182 bis 1218) feierte der neuartige „Schießprügel“ seine Deutschlandpremiere. Im Jahre 1212 war der Kaiser mit einer – in Italien gefertigten – Blide vor der Runneburg aufgetaucht. Ziel war es, die abtrünnigen Landesväter mit „grimmen Geschossen“ (ein Chronist) zu traktieren. Bei Grabungen im Burghof gelang es tatsächlich, vier Blidenkugeln zu bergen. Die Fernwaffe wurde vor allem zum Zertrümmern feindlicher Festungen eingesetzt. Eine rund 15-köpfige Elitemannschaft war nötig, um die klobige Maschine aufzubauen und einsatzbereit zu machen. Der schwerste je verschossene Felsbrocken wog 1,4 Tonnen (1346 bei der Belagerung Zyperns), das Verschießen von toten Eseln, Grabsteinen und Fäkalienfässern ist ebenfalls historisch verbürgt. Ein weiterer Anwendungsbereich war die „biologische Kriegsführung“: Beim Angriff der Tartaren auf die Genueser Kolonie Caffa (Krim) verschossen diese Pestleichen in das Lager der Gegner (1346). Auf Genueser Handelsschiffen gelangte der Schwarze Tod nach Westeuropa und bildete den Auslöser für die größte mittelalterliche Seuche (25 Millionen Tote) in Europa.
Die Erbauer fügten Eichen aus dem Schwarzwald und dänische Eschen originalgetreu nach mittelalterlichen Zeichnungen zusammen. Die Schlagkraft erhält das nachgebaute Mammut-Katapult durch eine ausgeklügelte Mechanik: Am kurzen Ende des Wurfarmes baumelt ein Kasten mit 4,5 Tonnen schweren Bleigewichten. Die lange Seite ist wie eine Peitsche konstruiert: Dort hängt an einem zwölf Meter langen Seil der Wurfstein. Man benötigt acht Mann, um die mächtigen Spannräder zu drehen. Sobald der Abschussmeister die Arretierung löst, saust die Bleikiste in die Tiefe. Dann schnellt der lange Schleuderbaum hoch und reißt die Leine mit dem Stein empor. Auf diese Weise entstehen enorme Fliehkräfte. Am höchsten Punkt, beim Ausklinken, erreicht das Geschoß eine Geschwindigkeit von rund 200 km/h.
Dann kam der große Tag des ersten offiziellen Einsatzes: Nach Probeschüssen mit Schaumstoffkugeln dienten nun Steine aus Juramarmor als Munition. Polizei und Feuerwehr hatten die Schussschneise weiträumig abgesperrt. Ein angrenzender Sportflughafen erhielt Startverbot. Dann, um 14.30 Uhr Ortszeit, stieg das Projektil zum Himmel. Über der Runneburg bei Erfurt (D) erhob sich eine grob behauene, knapp zwei Zentner schwere Marmorkugel. Mit lautem Heulen überquerte sie im flachen Bogen eine Kleingartenkolonie und krachte nach 295 Metern auf freies Feld. An der Abschussbasis im Innenhof der Zwingburg brandete Jubel auf. Seitdem bebt vor der Runneburg die Erde. Eines der Geschosse zersplitterte beim Aufprall, ein anderes schlug auf wie ein Tennisball und sprang noch einmal zehn Meter in die Höhe. Die Experten waren über die Treffsicherheit des Geräts erstaunt. Alle Testschüsse erreichten den anvisierten Korridor, die maximale Abweichung vom errechneten Zielpunkt lag bei sechs Metern. Den Betreibern zufolge dient die Kanonade dem Erkenntnisgewinn über die Waffentechnik im Mittelalter. Bliden (griechisch: palida = Schleuder) wurden im 11. Jahrhundert von chinesischen Ingenieuren entwickelt. Die Technik wurde von Mongolen und Arabern übernommen und gelangte über Militärspione aus Genua nach Europa.
(vgl. internationaler Pressebericht, 1997)
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Die Entscheidungsschlacht von Dürnkrut/Jedenspeigen (NÖ)

Das Schlachtfeld liegt zwischen der March und dem Abbruch des Weinviertels, nur einen Steinwurf von der slowakischen Grenze entfernt. Hier besiegte am 26. August des Jahres 1278 Rudolf von Habsburg seinen gefährlichsten Gegner, den Premysliden Ottokar II. von Böhmen. Damit schuf Rudolf die Grundlage für das „Haus Österreich“.

Ottokar hatte sich nach dem Aussterben der Babenberger ebenso entschlossen wie umsichtig der österreichischen Länder bemächtigt – mit dem Ziel, ein slawisches Großreich bis zur Adria zu schaffen. Dabei war ihm nur noch Rudolf von Habsburg, der „arme Graf“ aus der Schweiz im Weg. Ottokar hatte sich von Anfang an geweigert, König Rudolf von Habsburg den Lehnseid zu leisten. Er träumte von Größerem, was Ottokars großer und freilich auch folgenschwerer Fehler war. Die Schlacht verlor er, weil der Habsburger entgegen aller damals üblichen Taktik eine starke Reserve, die kumanische Reiterei, zurückhielt. Diese griff erst in die Schlacht ein, als das böhmische Heer schon ermattet schien. Die böhmischen, polnischen, sächsischen und bairischen Reihen begannen zu wanken, bis sich Ottokars Armee in heilloser Flucht hinüber ins Weinviertel und nach Südmähren rettete. Ottokar selbst verlor sein Leben auf erbärmliche Weise. Es heißt, er wäre auf der Flucht von seinem eigenen Truchsess erschlagen worden. Ottokars blutverschmierter Leichnam wurde nach Znaim gebracht. Dort blieb er für zwanzig Jahre bestattet, bis man ihn auf die Prager Burg brachte. Die Habsburger sicherten sich Österreich. Sie begannen mit jener Heiratspolitik, die aus dem gerade erst eroberten Gebiet ein Weltreich machen sollte.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1991)
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Das Wüten der Pest

Mitte des 14. Jahrhunderts brach die größte Pestepidemie in der Geschichte Europas aus. Niemand konnte sicher sein, von der schrecklichen Seuche verschont zu bleiben. Antike Ärzte, wie Hippokrates, hatten gelehrt, dass die Pest durch „böse Dünste“ übertragen wird. Andere führten die Pest auf unsichtbare Dämonen, die als Strafe Gottes ausgesandt werden, zurück. Die Ärzte selbst standen dieser Krankheit weitgehend hilflos gegenüber.

Die Kunst der Ärzte beschränkte sich darauf, Pestbeulen aufzustechen und sie aufzu brennen. Sie empfahlen das Trinken von Schnaps und ließen in Essig getränkte Tücher vor Türen und Fenstern hängen. Viel mehr aber konnten sie nicht tun und waren auch selbst vor dieser Seuche nicht gefeit. In ganz Bayern beispielsweise gab es in bald nach Ausbruch der Seuche nur noch vier Ärzte.
Folglich richtete sich die ganze ärztliche Anstrengung gegen die Weiterverbreitung der Krankheit. Manche Gebiete wurden isoliert, Bürger und Bauern bildeten Wachmannschaften, zogen Sperren um betroffene Städte. Die Angehörigen von Pestkranken wurden in Quarantänelagern zusammengepfercht. Die Leichen der Toten verscharrte man in Pestgruben. Dennoch starben innerhalb von nur 15 Jahren rund 25 Millionen Menschen, was nahezu der Hälfte der Bevölkerung Europas entsprach! Diese Entvölkerung bewirkte eine zweite Katastrophe: menschenleere Dörfer verödeten, Vieh verendete, Äcker blieben unbestellt, viele Überlebende verhungerten.
Die Menschen entwickelten verschiedene Überlebensstrategien: Viele reiche Leute schlossen sich völlig von der Umwelt ab, um nicht durch das „Miasma“ Erkrankter verseucht zu werden. Andere betäubten ihre Angst mit wildesten Ausschweifungen (Fress- und Saufgelagen). Motto: Man konnte ja morgen schon tot sein. Unzählige sahen die Sünden der Welt als Ursache der Pest. Sie wollten nun die Sünden auf sich nehmen und zogen singend, tanzend, heulend, einander geißelnd durch das Land. Der Wahn wirkte so ansteckend, dass die Scharen immer größer wurden. Vielfach wurden Schuldige gesucht und gefunden: „Hexen“ wurden ermordet und zehntausende Juden gemartert, vertrieben und gelyncht.
(vgl. internationaler Pressebericht, 1997)
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Die Hintergründe und die Folgen der Pestepidemie in Indien

Delhi, die Hauptstadt des Subkontinents mit einer Bevölkerungszahl von 10 Millionen Menschen, vermeldete Anfang dieser Woche die ersten beiden Pest-Todesfälle. Die atemberaubende Geschwindigkeit der Seuche, die sich wie ein tödlicher Dominoeffekt über das Land verbreitet, dokumentiert eine einzige Zahl: Innerhalb von nur 14 Tagen hat sich die Pest von Latur, einem kleinen Dorf nahe der westindischen Stadt Surat, bis in das 1500 Kilometer entfernte Delhi verbreitet. Die Folgen reichen weit über Indien hinaus.

Der Sturmlauf des in Europa seit rund 100 Jahren ausgerotteten Bakteriums „Versinia Pestis“ begann am 15. September mit dem ersten Alarm im zentralen Hospital der westindischen Stadt Surat: Drei junge Inder aus dem Slum-Viertel Ved wurden mit hohem Fieber, geplatzten Lymphknoten und schwersten Husten-Anfällen in die Klinik eingeliefert. Die Behandlung kam zu spät, wenige Stunden später wurden die Leichen der Männer in den Öfen des städtischen Krematoriums verbrannt. Als Todesursache war auf den mitgelieferten Papieren noch schlicht und einfach „Fieber“ angegeben. Die Ärzte der Millionenstadt aber wussten längst, was die internen Untersuchungen ergeben hatten: Die drei Slum-Bewohner waren an der Lungenpest gestorben. Während in den folgenden Tagen gleich mehrere Hundert Menschen aus den rattenverseuchten Slums ins Krankenhaus eingeliefert wurden, ergriff das medizinische Personal die Flucht. Mit ein Grund dafür, dass es bisher keine exakten Pest-Opferzahlen aus Surat gibt. Denn auch die Chef-Pathologin der Zentral-Klinik hatte sich ins Ferienparadies Goa abgesetzt. Anfang der Vorwoche erklärte Indiens Regierung die Surat kurzerhand zu einer einzigen Quarantänestation. Zu einem Zeitpunkt, als die Massenflucht aus der Pest-Stadt längst eingesetzt hatte. 600.000 Menschen waren auf Fahrrädern und in Zügen aus der tödlichen Metropole geflohen, unter ihnen auch 202 Kranke, die die „Metastasen“ der Pest so über das ganze Land verbreiteten. Eine Panikreaktion, die sich nun in den Metropolen des Riesenlandes fortsetzt.

Der Ursprung der Seuche ist mittlerweile längst lokalisiert: Zunächst hatte ein schweres Erdbeben im Sommer 1993 den indischen Bezirk Beed, etwa 400 Kilometer östlich von Bombay, erschüttert. Millionen wilder Wanderratten flüchteten daraufhin aus ihren eingestürzten unterirdischen Gängen und begannen, in der Provinzstadt Latur die dortigen – unverseuchten – Hausratten mit dem Pest-Virus zu infizieren. Nach dem folgenden Massensterben der Nager sprangen die Flöhe auf die Menschen über. In Surat schloss sich dann der tödliche Kreislauf: Jene drei Inder aus Surat, die als erste Pestopfer gelten, hatten kurz vor ihrem Tod eine Hochzeit in der Erdbebenprovinz Beed besucht.

UN-Experten haben schon seit Jahren vor dem tödlichen Inferno gewarnt. Surat ist der ideale Nährboden für den epidemischen Super-Gau: Zunächst hatte der Wirtschaftsaufschwung der dortigen Textilindustrie aus der verschlafenen Provinzstadt eine Zweimillionen-Metropole gemacht. Seidenspinnereien und Diamantfabriken verhalfen der Stadt zu einem wirtschaftlichen Höhenflug. Der Nebeneffekt: Die zugewanderten Gastarbeiter leben in Slums – ohne Wasser, ohne sanitäre Anlagen, ohne Kanalsystem. Auf offener Straße schlafen Tausende Obdachlose neben den Fäkaliengruben. Ein leichtes Spiel für die rund 100 Millionen Ratten in Surat und deren Flöhe, die durch ihren Biss die nun eingeschleppte Pest übertragen. Und eine fast unlösbare Aufgabe für die Gesundheitsbehörden, die derzeit versuchen, die gesamte Stadt mit Tonnen von DDT zu desinfizieren. Ebenso massiv kommt es zur Verteilung von Millionen Tetracylin-Kapseln, einem Medikament, das – alle sechs Stunden eingenommen – für kurze Zeit vor der Pest schützt. Experten rechnen in den nächsten Wochen dennoch mit einem weiteren Anstieg der Pest-Kranken auf 100.000, die Zahl der zu erwartenden Toten wird auf mehr als 1000 geschätzt.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1994)
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Pest breitet sich in Indien aus, neue Städte betroffen

In Indien breitet sich die Lungenpest immer weiter aus. Laut indischer Gesundheitsbehörde sind bisher 140 Tote zu beklagen, 600 000 Inder befinden sich auf der Flucht.

Sieben der 25 Bundesstaaten sowie die Hauptstadt Neu-Delhi haben Pestalarm ausgerufen. Am schwersten betroffen ist nach wie vor Surat, das inzwischen einer Geisterstadt gleicht. Fabriken, Schulen, Banken und Restaurants wurden geschlossen, die Bevölkerung wurde aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Als einziges nimmt das staatliche Krankenhaus Pestkranke auf. Hier patrouillieren nach der Flucht von 101 Pestpatienten vermummte Sicherheitskräfte. Obwohl die Regierung Antibiotika verteilt, stürmen Menschen die Apotheken. Der Versuch, um die betroffenen Gebiete einen Quarantänegürtel zu legen, ist gescheitert. Niemand weiß, wie viele der Flüchtenden von der zuerst aufgetretenen Beulenpeust oder der Lungenpest infiziert sind. Die Anzeichen sind starkes Fieber, Schmerzen an den Lymphknoten, Blut im Auswurf, Orientierungs- und Sehstörungen.
Die Beulenpest wird zumeist von Rattenflöhen übertragen, bei der Lungenpest, die sich aus der Beulenpest entwickeln kann, ist das Bakterium dasselbe, es wird durch Tröpfcheninfektion weitergegeben. Antibiotika und Sulfonamide bringen Heilung, bei unbehandelten Fällen liegt die Sterblichkeitsrate jedoch zwischen 25 und 75 Prozent.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1994)
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Entwarnung – keine Pestgefahr für Europa

Aus Indiens Nachbarstaaten Bangladesh und Pakistan wurden mittlerweile die ersten Fälle von Pest-Infizierten gemeldet. Europa reagierte prompt auf das Come-back des rasenden Todes.

Alle internationalen Fluglinien stellten den Luftverkehr mit Indien ein. In Brüssel einigten sich die Vertreter der EU-Mitgliedstaaten auf eine „Pestprophylaxe“, die am Wiener Airport bereits seit Donnerstag letzter Woche in Kraft ist: ambulante Tests an allen Indienreisenden. Nicht mehr als ein Placebo zur Beruhigung der Pestängste. Theoretisches Szenario: Kommt ein Indienreisender aus Neu Delhi frisch infiziert zur Untersuchung, könnte er dennoch durch die Sicherheitskontrollen schlüpfen. Denn die durchschnittliche Zeit zwischen Infektion und Ausbruch liegt bei drei Tagen. Danach geht alles sehr schnell: Der Husten eines Pestkranken befördert mikroskopisch kleine Tröpfchen samt Pestbakterien in die Umgebung. Dennoch ist die Bedrohung durch die Pest relativ gering. Auf Grund des medizinischen Standards in Europa ist diese Seuche heilbar, wenn sie früh genug erkannt wird.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1994)
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Die neuen, alten Seuchen

Nach 1945 meinten viele, mit Penicillin ein Wundermittel gegen viele Krankheiten – auch gegen Seuchen – gefunden zu haben. Mittlerweile breiten sich Seuchen, die längst zurückgedrängt schienen, von Neuem aus.

Im Nahbereich von Österreich – an den Zollstationen an Ungarns Ostgrenze, an den Schranken zu Rumänien und der Ukraine, ist mittlerweile jeder Grenzbeamte gegen Cholera geimpft. Die Waschräume der Zollstationen werden regelmäßig desinfiziert, Reisende stichprobenartig untersucht. Der Grund: Fast täglich treffen Meldungen über neue Choleratote aus der Ukraine und Rumänien ein. Bilanz des Septembers: 1100 Erkrankte, 23 Tote. Die Vorsicht der ungarischen Behörden ist begründet: Als 1990 in Peru die Cholera ausbrach, glaubten die Nachbarstaaten noch, eine Ausbreitung der Seuche verhindern zu können. Vergebens. 1991 forderte die Cholera in Lateinamerika mehr als 6000 Tote. Erst an der Grenze zu den USA konnte die Epidemie gestoppt werden. Weltweit fielen in den letzten drei Jahren fast 50.000 Menschen der Cholera zum Opfer. Im ersten Halbjahr 1994 registrierte die WHO (Weltgesundheitsorganisation) 236.351 Cholerafälle. Allein 30.000 davon unter den ruandischen Flüchtlingen.

„Begleitet“ wird der Vormarsch von Pest und Cholera von drei anderen Epidemien:
° Tuberkulose: Experten schätzen, dass allein in den 90er-Jahren über 30 Millionen Menschen weltweit an der Seuche sterben werden.
° Diphterie: Im Vormarsch ist die hochansteckende, tödliche Krankheit vor allem in Osteuropa. Gefahr für Österreich: Durch die Impfmüdigkeit sind die meisten Menschen über 30 Jahre nicht mehr geschützt.
° Malaria: Pro Jahr sterben weltweit 2,5 Millionen Menschen an der Tropenkrankheit, über 250 Millionen werden infiziert.
° Lepra: Jedes Jahr infizieren sich nach neuesten Schätzungen 800 000 Menschen mit der Seuche Lepra. Derzeit gibt es rund 6,4 Millionen Leprapatienten, davon leiden etwa vier Millionen an Verkrüppelungen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kündigte an, Lepra bis zum Jahr 2000 ausrotten zu wollen. Laut Auskunft des Deutschen Aussätzigen-Hilfswerks sei es aber verfrüht, von einer Ausrottung der ältesten Infektionskrankheit der Welt zu sprechen, ist doch die Zahl der Neuerkrankungen seit zehn Jahren konstant.
(vgl. österreichischer Pressebericht, 1994)
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